Resolution der Fritz-Karsen-Schule zum Projekt "Setz dich neben mich!" und zur Friedensstatue

Demokratiebildung sichern: „Setz dich neben mich!“ fortführen!

Wir sind erschüttert und schockiert über die politische Einflussnahme auf die Finanzierung unseres Bildungsprojekts „Setz dich neben mich!“.

Das Projekt „Setz dich neben mich!“, gemeinsam initiiert vom Korea-Verband e.V. sowie der Fritz-Karsen-Schule, wurde über mehrere Jahre aus Mitteln des Berliner Projektfonds Kulturelle Bildung gefördert. Es wurde in mehreren Kursen und Klassen der Oberstufe sowie unserer Projektwoche im November 2023 umgesetzt und weiterentwickelt, u.a. mit dem Ziel, es für weitere Schulen zugänglich zu machen. Unsere Schüler*innen haben sich mit großem Interesse mit dem Thema der sexualisierten Gewalt in Kriegen und bewaffneten Konflikten auseinandergesetzt. Dies wurde am Beispiel der sogenannten „Trostfrauen“, aber auch anhand von Wehrmachtsbordellen, erarbeitet. In diesem Jahr haben wir einen Verlängerungsantrag beim Projektfonds Kulturelle Bildung gestellt. In erster Instanz wurde das Projekt für die Verlängerung durch eine Fachjury empfohlen. In einer zweiten Sitzung wurde vom dafür zuständigen Beirat gegen eine Weiterfinanzierung entschieden.

Aus Berichten des rbb, der taz und des nd mussten wir erfahren, dass Bürgermeister Kai Wegner womöglich persönlich Einfluss auf die negative Entscheidung genommen habe. Zusätzlich soll die Japanische Botschaft Beiratsmitglieder zu einem exklusiven Abendessen in einem 5-Sterne-Hotel eingeladen und auf die Ablehnung des Projekts hingewirkt haben. Die Japanische Botschaft habe Gespräche mit Beiratsmitgliedern bestätigt und unterstelle dem Bildungsprojekt die Verbreitung eines einseitigen Narrativs.

Das Projekt „Setz dich neben mich!“ zielt, wie viele andere historisch arbeitende Projekte, auf Demokratiebildung. Über das Lernen über ein menschenverachtendes, faschistisches Gesellschaftssystem wird ein Reflexionsprozess in Richtung eines „Nie wieder!“ in Gang gesetzt. Das Bildungsprojekt versucht – wie jeder Geschichtsunterricht – exemplarisch am Beispiel der sogenannten „Trostfrauen“ den jungen Menschen das harte Thema sexualisierter Gewalt in bewaffneten Konflikten nahezubringen. Zusammenhänge von Nationalismus, patriarchaler Gewalt, Rassismus, Krieg und kolonialer Gewalt werden in diesem Projekt betrachtet und gemeinsam reflektiert. Beispielhaft soll an der Geschichte der sogenannten „Trostfrauen“ sexualisierte Gewalt in Kriegen strukturell verstanden und aufgearbeitet werden, weshalb es in jedem bewaffneten Konflikt sowie in jeder kolonialen Unterwerfung dazu kam und kommt.

Das Beispiel dient zudem dazu, den Schüler*innen nicht nur die traurige, schreckliche Seite dieser Machtkonstellationen, der patriarchalen und kolonialen Gewalt zu zeigen, sondern diese auch zu empowern, gegen Ungerechtigkeit aktiv zu werden. Die Frauen, die während des Kriegs in den 1930er und 1940er Jahren vom japanischen Militär als sogenannte „Trostfrauen“ systematisch misshandelt wurden, demonstrieren seit den 1990er Jahren u.a. für Ihr Recht auf Entschädigung, gehört und gesehen zu werden und vor allem bei den Entscheidungen in den Wiedergutmachungsprozessen mitwirken zu können. Hierfür sind siean die Öffentlichkeit gegangen, haben eine große Bewegung in Südkorea in Gang gesetzt und zivilgesellschaftliches, demokratisches Engagement befördert, insbesondere für Frauen mit Gewalterfahrungen.

Als Teil des Bildungsprojekts wurden einzelne Sitzungen mit erfahrenen Berliner Bildungsträger*innen, die zum Thema Sexualität und sexualisierte Gewalt mit Schulen arbeiten, umgesetzt. In diesen wurden auch eigene Erfahrungen, Grenzen und Wünsche mit den Schüler*innen aufgegriffen, besprochen und reflektiert. Das Bildungsprojekt mündete in einer künstlerischen Verarbeitung und sehr bewegenden künstlerischen Arbeiten und Ergebnissen, die im Museum der Trostfrauen in Berlin-Mitte besucht werden können. In regem Austausch mit dem Korea-Verband e.V. sind die eingesetzten Bildungsmaterialien und die Methodik besprochen und stets angepasst worden, um die Exemplarität des Themas hervorzuheben.

„Setz dich neben mich!“ lehnt mit dem Titel an die Friedensstatue in Moabit an. Die Schüler*innen lassen die junge Frau, die Statue, nicht alleine; sie setzen sich neben sie und hören ihr zu. Sie erfahren von ihrem Leid, aber auch von ihrem Mut, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen und den Stuhl neben sich anzubieten.

Das Kollegium der Fritz-Karsen-Schule wehrt sich gegen den Eingriff in schulische Projektarbeit und demokratisches Lernen.

Wir sind darüber entsetzt, dass Demokratiebildung hier anscheinend zum Spielball nationalstaatlicher und politischer Interessen wurde.

Wir fordern eine Aufarbeitung der Entscheidung über die Projektfinanzierung.

Wir fordern, dass Demokratiebildung und demokratisches Handeln an Schulen gefördert und nicht verhindert werden.

Die Gesamtkonferenz der Fritz-Karsen-Schule in Berlin-Neukölln hat am 17.09.2024 die vorliegende Resolution einstimmig beschlossen.